Das Netz, es erscheint uns so aufregend wie eine Wundertüte. Und manchmal auch ähnlich enttäuschend. Nehmen wir beispielsweise die Diskussion um das Fernsehen der Zukunft. Es sieht aus wie die Serie „House of Cards“ mit Kevin Spacey und kommt von Internet-Streaming-Diensten wie Netflix. So ruft es seit Wochen jeder Branchen-Trendscout ins Debatten-All. Ernüchternd dagegen die Reaktion des deutschen Publikums. Auf Sat 1 erreichte das Kartenhaus gestern wieder nur bescheidene Marktanteile (6,5 Prozent bei den 14-49-Jährigen). Die alte Tante Tatort holte wiederum enorme 20 Prozent in der jüngeren Zielgruppe. Aber reden wir nicht über Quoten, reden wir über Qualität – über die Qualität von Diskussionen über Qualität, um genau zu sein.
An und für sich
Die Hoffnung hier: "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen."
Google Canal-View – Venedig Update
Seit heute schaut die Welt ganz anders auf diese Stadt: Google Street View öffnet uns einen gestochen scharfen Blick auf Campi und Canali, auf Riva und Rialto, auf Dogenpalast und Dogana. Ob wir nun in Bottrop oder in Bangkok vor dem Screen sitzen, wir können uns durch die Gassen der Stadt bewegen, gar zu Mausklick-Gondolieres werden. Die digitale Vermessung der Welt hat einen neuen symbolischen Punkt erreicht. Faszinierend und erschreckend zugleich – ich weiß nur noch nicht, ob es ein Höhepunkt oder ein Tiefpunkt ist.
Bi,Tri, Multi, Cross, Trans – Hauptsache Medial
Auch der allgegenwärtige Medienwandel hat mal klein angefangen, zumindest begrifflich. Was vor Jahren ganz harmlos mit „bimedial“ begann, damals als Zusammenrücken von Fernsehen und Hörfunk, hat sich inzwischen ins „Transmediale“ ausgewachsen. Was das sein könnte, haben einige Digital Natives des Bayerischen Rundfunks ganz anschaulich beschrieben. Interessant gemacht und hiermit weiterempfohlen, verbunden mit der bangen Frage, was wohl als nächstes kommt: „Postmedial“?
Das Wesen von Thesen
Wohl alles hat seine guten und seine schlechten Seiten: Der Alkohol, das Essen, die Frauen, die Männer, das Leben. Vor allem aber: Das Aufstellen von Thesen zur Zukunft des Journalismus. Weil es gerade derzeit so viele davon gibt,lohnt sich vielleicht eine Umkehr der Blickrichtung. Betrachten wir einmal das Wesen von Thesen. Und lernen wir Gelassenheit.
Handygate – Fortschritt im Kreisverkehr
Machen wir Fortschritte oder drehen wir uns nur schneller im Kreis? Das frage ich mich immer, wenn mir bei Debatten schwindelig wird. Wie jetzt gerade wieder beim Handygate. Zusammen mit den ersten Herbststürmen wirbelt noch mal der ganze große Datentauschangriff der NSA unsere Medienwelt auf. Doch in Wahrheit kommt die Diskussion nicht vom Fleck. Es fehlt am Mut, den entscheidenden Schritt zu tun. Am Mut, sich zu fragen, ob wir bereits zu weit gegangen sind.
Siegen lernen ? Zum Vorbild USA
In meiner kleinen Linkliste auf dieser Seite habe ich auch „120 Sekunden“ von Martin Giesler aufgeführt. Der ZDF-Journalist betreibt einen privaten Blog, in dem er ein paar Bretter über den tiefen Graben zwischen der alten und der neuen Medienwelt verlegt. Besonders anregend fand ich seinen Post zu Entwicklungen in den USA, „die die Grenzen des Journalismus neu verhandeln“.
Kleine Tipps für die Große Koalition
Eine „Unterarbeitsgruppe“ zur „Digitalen Agenda“ also – auch bescheidenen Anfängen wohnt sicher der berühmte Zauber inne. An guten Ratschlägen, Vorsätzen und vielleicht auch an Hokuspokus wird es den Unterhändlern der Großen Koalition nicht fehlen. Deshalb mache ich es kurz.
Viel wäre schon von vornherein erreicht, wenn sich die neue Regierung nicht allzu bescheidene Ziele setzen würde. Wenn sie wichtige Schlüsselbegriffe großzügiger auslegt, als es ein zunehmend technologisch und ökonomisch geprägtes Vokabular nahelegt. Wenn die Große Koalition bei der künftigen Medienordnung, pathetisch gesprochen, menschliches Maß berücksichtigt.
Die folgende Liste der Sensibilitäten ist nicht vollständig, aber sie ist mir wichtig:
Gesellschaft bedeutet mehr als Community
Integration bedeutet mehr als Vernetzung
Vertrauen bedeutet mehr als Kontrolle
Bildung bedeutet mehr als Information
Aufklärung bedeutet mehr als Transparenz
Entwicklung bedeutet mehr als Wachstum
Freundschaft ist mehr als ein Klick.
Amen und viel Erfolg!
Digitaler Wandel durch Annäherung
Vielleicht stoße ich ja immer nur an die Wände meiner Filter-Bubble. Aber je mehr ich im wunderbar wirren Internet herum irre, umso weniger bekomme ich eingie pochende Fragen aus dem Kopf: Warum drehen sich die Debatten um die Zukunft der Medien immer im Kreis? Und weshalb interessiert sich die Gesellschaft offenkundig so wenig für das Thema? Gibt es da vielleicht gar einen Zusammenhang? Darüber haben natürlich schon einige Digital-Diskutanten nachgedacht. Und sind dabei zu verblüffend einfachen Antworten gelangt: Schuld haben immer die anderen!
Denn das beste Erklärungsmodell für Probleme ist die Schuldzuweisung. Ein grell gemaltes Feindbild sichert Deutungshoheit und bringt die eigenen argumentativen Geschütze besser in Stellung. Am besten zeigt man auf Personen, ersatzweise gehen aber auch Gruppen oder Institutionen ganz gut.
Ein typischer Tag liefe dann etwa so: Zum Frühstück ein paar Bedenkenträger fressen, den Tag über jede Menge alte Zöpfe abschneiden. Beim Nachtgebet schließlich der nächsten Generation den Himmel auf Erden versprechen (wenn sie sich nicht blöd anstellen, beispielsweise zögerlich oder technophob). Ach was waren wir heute wieder disruptiv! Ein schönes Beispiel für diesen Hurra-Patriotismus aus Digitalien habe ich hier gefunden.
Aufmerksamen Lesern wird nun aufgefallen sein: Im soeben fertig gestellten Absatz habe ich genau das getan, was ich zuvor in offenbar scheinheiliger Weise kritisert hatte: Nämlich eine Seite zu verteufeln, in diesem Fall die der Online-Optimisten.
Das war auch kein Zufall. Bei der Grandwanderung in die digitale Zukunft stürzen die Menschen, je nach eigener Disposition, mal eher auf die eine oder eher auf die andere Seite ab. Wenn ich beispielsweise falle, rutsche ich stets den Anhang der Sorgen herunter. Unten angekommen, denke ich dann: „Früher war doch alles besser, vor allem ich.“
Andererseits will ich gern an dieser Stelle versichern, dass man bei aller Fortschrittsskeptik keinesfalls die Jugend zum Problemfall, Google zu einer Terrorvereinigung und die Nachkriegsmedienordnung zum Weltkulturerbe erklären sollte. Warum dann immer wieder dieser ideologische Streit, der Branchentreffs so vorhersehbar öde macht? Tja, offensichtlich kann man es sich selbst im Schützengraben gemütlich machen. Das Feindbild ist klar, die Kameradschaft der Gleichgesinnten stärkt die eigenen Kräfte. Und man will ja auch gewinnen.
Weniger militaristisch ausgedrückt: Differenzieren gilt den meisten als doof, mindestens als zu umständlich. Wer sich als Medienversteher und – Erklärer profilieren möchte, darf natürlich nicht einräumen, dass vielleicht auch an den Argumenten der anderen Seite etwas dran sein könnte. Wer die Zukunft gewinnen will, möchte ungern Zeit mit Kompromissen vertrödeln.
Trotzdem lohnt sich die Anstrengung. Dazu empfehle ich ein Vorgehen, das schon Eiserne Vorhänge zerrissen und Mauern mit zum Einsturz gebracht hat: „Wandel durch Annäherung“. Dieses weise politische Prinzip bleibt mit Egon Bahr und der von ihm wesentlich mit gestalteten Ostpolitik verknüpft. Es ist genau 50 Jahre alt und doch hochmodern.
Würden wir es mehr auf den Digitalen Wandel anwenden, könnten wir vom Stadium der Schuldzuweisung zur Ursachenforschung übergehen. Das ist nämlich ein Unterschied. Wir könnten zu ermitteln versuchen, wie globale Politik, Wirtschaft und Technik nach menschlichem Maß entwickelt werden können.
Sicher, Mindesstlöhne für die Arbeitswelt lassen sich erheblich leichter kommunizieren als Mindesstandards für Datenschutz im Cyberspace. Trotzdem ist es höchste Zeit, den Streit um des Profils und Profit willens zu beenden. Daher ergeht an dieser Stelle der offizielle Aufruf zum „Digitalen Wandel durch Annäherung“. So, der Anfang ist gemacht.
ZEIT für Totsager
Heute hatte ich eigentlich etwas ganz anderes vor als diesen Post. Dann musste ich doch bei Twitter reinschauen, bin dort leider einem Link gefolgt und habe mich schließlich über einen Artikel bei ZEIT-Online geärgert. Nun, liebes Netztagebuch, muss ich meinen Unmut bei Dir loswerden. Dabei hoffe ich natürlich auf 570 Millionen Klicks, die die 15-jährigen Kult-Kids von Y-Titty mit ihren Videos auf You Tube abräumen. Im TV der Zukunft – denn das alte Fernsehen muss, natürlich,sterben.
Weniger Daten sind mehr Demokratie
Auch der 10. Oktober 2013 hat seinen Hype: Start der deutschen Ausgabe des Online-Magazins „Huffington Post“. Für mich ein sehr guter Tag, um über ein ganz anderes Thema zu bloggen. Denn „nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit“, sagte uns schon der journalistische Altmeister Egon Erwin Kisch. Derzeit liegt die Wahrheit zum Medienwandel im Werk von Evgeny Morozov. Wirklich.
Gerade ist sein Buch „Smarte neue Welt. Digitale Technik und die Freiheit des Menschen“ erschienen, nachdem das amerikanische Original schon seit Monaten für interessante Diskussionen sorgt. Evgeny Morozov verlangt darin, den digitalen Wandel endlich zu politisieren und zu moralisieren. Vor allem den „Informations-Konsumismus“ will er bekämpfen. Denn sonst werde uns ökonomisches Kalkül und technologischer Fortschrittsglaube versklaven. Starker Tobak und doch sehr bekömmlich.