Zugegeben – ich kenne nur ein Probekapitel aus dem Buch „Smarter than you think“. Also empfehle ich sicherheitshalber erst mal nur den Autor: Clive Thompson, Technologie-Journalist und Blogger. Denn ich habe ihn als Gast im Internetformat „Das Digitale Quartett“ gesehen und genossen. Thompson wohnt auf der Sonnenseite des Internetz. Er preist die technischen Chancen des digitalen Medienwandels an. Allerdings ohne dabei gleich das menschliche Maß aus dem Auge zu verlieren.
Clive Thompson leuchtet also gern die Vorzüge des Internets aus, während Evgeny Morozov in „Smarte Neue Welt“ eher deren Schattenseite beschreibt. Beides zusammen ergibt aber erst ein sinnvolles Bild. Und beides zusammen ermöglicht erst einen ausgeglichenen Gefühlshaushalt für unsere Gesellschaft. Schon zu lange wandeln deren Diskussionen über den digitalen Wandel auf einer schmalen Boderline, gezogen von Fortschritts-Euphorikern und Untergangs-Propheten. Mit seiner differenzierten Haltung gegenüber den Digital-Skeptikern konnte Clive Thompson auch seine Gastgeber verblüffen, wie es schien.
Im Untertitel seines Buches verspricht der Autor zu beschreiben, „How Technology is Changing our Minds for the better.“ Thompson zeigt also anhand vieler Beispiele die positiven Effekte des digitalen Wandels. Und zwar auf den Geist, nicht auf das Gehirn. Es geht also weniger um das Optimieren – oder gar: den Ersatz – von human-biologischen Apparaturen als vielmehr um die Erweiterung menschlicher Möglichkeiten.
In einer Leseprobe von „Smarter than you think“ wird dies am Beispiel von Schachcomputern geschildert. Im Duell Mensch gegen Maschine gewinnt jetzt die Maschine. Dem Schachmatt im Duell folgte ein Triumph im Duett: Menschen und smarte Maschine gemeinsam erreichen eine neue kreative Dimension des Spiels. Soweit ich das verstanden habe. (Ich wünsche mir sehr eine deutsche Ausgabe des Buches. Könnte aber erst Weihnachten 2014 werden.)
Clive Thompson setzt sich im Interview klar vom softwarelösungsfixierten Silicon Valley ab und rückt damit ein bisschen in die Richtung von Evgeny Morozov, der derzeit viele hiesige Debatten zu dominieren scheint. Andererseits bleibt ein Unterschied in der persönlichen Entwicklung der Autoren: Interessanterweise hat der Kanadier Thompson sich vom anfänglichen Internet-Skeptiker zum Optimisten gewandelt. Bei dem Weissrussen war es umgekehrt.
Mein fester Eindruck nach diesem Gute-Laune-Wir-kriegen-das-schon-hin-Monolog im sich manchmal aufhängenden Google-Hangout: Da sieht einer digitale Technik als das, was es sein sollte, nämlich eine Erweiterung der menschlichen Handlungsmöglichkeiten. Die wir uns schöpferisch aneignen können, ohne uns einfach anpassen zu müssen.
(Wie ich mich auf Weihnachten 2014 freue…)
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