Journalismus zu definieren – das war immer schon der Versuch, einen ziemlich großen Pudding an die Wand zu nageln. Jetzt bröckelt auch noch die Wand weg. Verlage verabschieden sich von publizistischen Produkten, amerikanische IT-Riesen geben den Takt der Medienbranche an und immer mehr Menschen stellen einfach selbst online Öffentlichkeit her. Das verunsichert die professionellen Kommunikatoren. Aber da müssen wir wohl durch. Ein kleiner Orientierungsmarsch.
An und für sich
Die Hoffnung hier: "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen."
Die friedliche Nutzung der Datenenergie
An so einem Satz hat man zu tragen, als in die Jahre gekommener Journalist: „Das Alte ist vergangen, wirklich vergangen“, beschied Senior-Verlegerin Friede Springer in der FAS. Deshalb „Digital First“ und der Rest – ab in den Schlussverkauf. Dann, im selben Medium, eine zweite, irritierende Information: Das deutsche Software-Vorzeige-Unternehmen SAP wird wohl bald in der Deutschland nur noch ein paar Briefkästen stehen haben. Einheimisches Personal rekrutieren oder Programme in der Provinz entwickeln, das sei nicht zukunftsträchtig. Think Big Data.
Da staunt der Fachmann
Ich könnte natürlich dem Royal Baby die Schuld geben. Fürs Ablenken. Oder Mutti Angela. Fürs Abwiegeln. Denn trotz massiver Berichterstattung will das Thema Digitaler Datenschutz einfach nicht richtig zünden. Statt mit brennenden Barrikaden zu protestieren, genießen die Menschen das Wetter oder denken sich Namen für Anonymus Windsor aus. Gott und die Welt dafür anzuklagen, nützt nichts. Ich übe Selbstkritik, indem ich an Möglichkeiten und Grenzen von Medien erinnere.
„Das Venedig-Prinzip“ im Fernsehen
Kultur und Pessimismus vereinigen sich nirgendwo besser als in Venedig. Auch in der Dokumentation „Das Venedig-Prinzip“, die heute um 22.45 im Ersten (ARD) läuft, darf die Stadt wieder machen, was sie am besten kann: Untergehen. Überflutet diesmal vom Massentourismus. Wer allerdings den Satz „Früher war alles besser“ nicht mehr hören kann, sollte diesen Film lieber meiden. Für alle anderen ist er Pflicht.
Lohnen Drohnen?
Wenn die Herren Obama und Putin über den künftigen Wohnsitz eines gewissen Edward Snowden telefonieren, muss für die Welt einiges auf dem Spiel stehen. Aber was nochmal genau? Und wo kommen auf einmal die vielen privaten Daten überhaupt her? Vielleicht schafft ein kleines Beispiel zur medialen Technologiefolgeabschätzung mehr Überblick – reden wir also über Drohnen-Journalismus!
Der Staat – dein Feind und Helfer
Die bemerkenswert öffentliche Debatte um PRISM und tempora ist so wichtig, dass ich mir Sorgen mache, sie könnte bald vorbei sein. Sollten sich nämlich die Fronten in der Diskussion wieder zum Stellungskrieg verhärten, werden die Klischee-Granaten tief fliegen. Die ersten Einschläge sind selbst in klugen Beiträgen noch zu bemerken: Feindbilder.
From Russia with Love – Edward Snowden
Da schreckst du hoch, schweißgebadet und leicht desorientiert. Ein verschwommenes Portrait schwebt noch holographisch durch den Raum: Edward Snowden. Der Agent, mit dem die Kälte kam. Dir ist ein bisschen schlecht, denn ein Super-Nerd hat deine medialen Illusionen weggeblasen. Aus der Traum vom herrschaftsfreien, schwarmintelligenten und kollaborativen Internet. Von wegen „Sharing is loving“ – es ist vor allem controling!
Quotalität und Medienverdrossenheit
„Qualität statt Quote“ – mit dieser Forderung liegt man eigentlich immer richtig, wenn es beispielsweise um gutes Fernsehen geht. Gerade jetzt brauchen wir doch klare Aussagen, weil die digitale Entwicklung sonst so wenig sinnstiftende Grundsätze übrig lässt. Aber hilft die quotalitäre Alternative wirklich weiter? Im Prinzip nein. Sie bemäntelt nur mühsam eine Grundverunsicherung über Maßstabslosigkeit und ist ein Zeugnis wachsender Medienverdrossenheit.
Art needs you – das Medium Biennale
Venedig feiert die Kunst der Gegenwart, vor allem jedoch die Gegenwart der Kunst. Letzteres kommt mir sehr entgegen: Die 55. Biennale ist ein sinnliches, überwiegend un- digitales Erlebnis. Historische Räume, aktuell inszeniert, machen die Stadt zur Weltbühne. In den Palazzi und Giardini, im alten Arsenal der Marine oder auf den neuen Prunkgaleeren der Mäzene – überall feiern Kulturfreunde ein Fest der Kommunikation, Face to Face und Face to Art.