Wenn die Herren Obama und Putin über den künftigen Wohnsitz eines gewissen Edward Snowden telefonieren, muss für die Welt einiges auf dem Spiel stehen. Aber was nochmal genau? Und wo kommen auf einmal die vielen privaten Daten überhaupt her? Vielleicht schafft ein kleines Beispiel zur medialen Technologiefolgeabschätzung mehr Überblick – reden wir also über Drohnen-Journalismus!
Sosehr sich jetzt alle Welt auf die Staatsspionage außer Rand und Band konzentriert, auch Medien verstärken das Öffentlichkeitsrisiko der Bürger. Informationstechnik schafft ja erst die Voraussetzung für die immer genauere Vermessung der Welt einschließlich ihrer Bewohner. Auch journalistische Werkzeuge machen Data bigger.
Im Jahr 2015 wird voraussichtlich in den USA, ebenso wie in der EU, der breite zivile Einsatz von Quadrocoptern oder Oktocoptern (UAV) erlaubt. Kleine, per Smartphone steuerbare Flugkörper, die luftige HD-Kameraaufnahmen an ihre Basisstation senden können. Wem künftig Trittleitern zu poplig und Hubschrauber zu klobig sind, dem bieten Drohnen eine interessante Alternative. Übrigens auch finanziell, sofern man nicht auf Lieferanten der Bundeswehr zurückgreift.
Auf der Konferenz „scoopcamp“ in Hamburg letzten Herbst wurde Drohnen-Journalismus eine trendy Story. Inklusive US-amerikanischem Guru: Prof. Matt Waite von der Universität Nebraska-Lincoln. Seine Studenten üben bereits in einem „Drone Journalism Lab“ den Einsatz dieses neuen Geräts für den journalistischen Ernstfall. Auch in Deutschland sind die Pioniere startklar, bis hin zu eigenen Geräten und innovationssfreudigen Websites. Bereit zum Experiment mit offenen Ausgang.
Nur ist es eben noch nicht ganz so weit. Der rechtliche Rahmen fehlt für einen flächendeckenden Einsatz. Drohnenflüge sind nur unter starken Auflagen erlaubt. Menschenansammlungen dürfen beispielsweise gar nicht überflogen werden. Das liegt allerdings weniger daran, dass man Privatsphäre schützen will. Vielmehr geht es um die Flugsicherheit, also um die körperliche Unversehrtheit der beobachteten Personen. Immerhin ebenfalls ein Grundrecht, wenn auch ein analoges.
Bevor es also richtig losgeht – und alle sagen, dass die Drohnen kommen werden – können wir noch auf die Spaßbremse treten und mediale Technologiefolgeabschätzung betreiben. Die erste Frage – Was sind Drohnen im Journalismus? – wurde oben schon beantwortet.
Nächste Frage: Was bringen Drohnen für den Journalismus?
Zunächst einfach mehr Bilder. Oftmals andere Bilder. Das Einsatzgebiet ist theoretisch kaum begrenzt und praktisch reizvoll: Bei Demos nicht mehr der Polizei die Lufthoheit überlassen. Sich bei Umweltskandalen über die verweigerte Drehgenehmigung erheben. Zerstörungen dokumentieren ohne die eigene Gesundheit zu riskieren. Auch Messungen sind möglich. Für all das gibt es auf der Welt durchaus schon interessante Beispiele. Ohnehin werden sich auch andere private und öffentliche Institutionen der kostengünstigen Technik bedienen. Drohnen sind dann übrigens so etwas wie mobile Überwachungskameras.
Wem nutzen journalistische Drohnen?
Für manche Redaktion dürften die Flugkörper tatsächlich eine interessante neue Quelle sein. Sei es um die etwas anderen Fotos zu machen, um das Risiko von Fotografen zu verringern oder um Kosten gegenüber herkömmlichen Verfahren zu senken. Die inhaltliche Spannweite reicht von investigativen Themen bis hin zu Paparazzitum. Besonders begeisterungsfähige Menschen wittern sogar schon wieder einen „neuen“ Journalismus – nach dem Motto „reboot journalism“.
Professioneller Journalismus stellt Öffentlichkeit her, jedoch nicht nur er allein. Besonders spannend wird denn auch in diesem Fall, wie sehr sich private Nutzer die bezahlbare Technik aneignen. Ob also massenhaft User Generated Content entsteht, ähnlich wie bei Smartphone-Aufnahmen, ohne die mittlerweile Kriegsberichterstattung kaum auskommt. Und ob wir dereinst vielleicht sogar die entlarvenden Bilder von Whistleflyern bewundern können.
Welche Risiken und Nebenwirkungen haben Drohnen im journalistischen Einsatz?
Prinzipiell schaden sie jedem, dem sie auf den Kopf fallen. Aber von diesem Worst Case wollen wir nicht ausgehen. Vielleicht entwickelt dieses Tool sich sowieso nur marginal und bleibt als mediales Spielzeug meist im Hangar. Wie heiß Privatleute auf die neue Technik sind, wird sich zeigen. Die Hersteller hoffen jedoch auf ein großes Geschäft. Nicht zu Unrecht, wie erste Erfahrungen zeigen.
Fest dürfte stehen, dass mit jedem neuen Flugobjekt die Bilderflut weiter anschwellen wird. Und dass sich damit die Grenzen des öffentlichen Raumes einige zusätzliche Meter Richtung Privatsphäre verschieben werden. Zumindest wird bei der Grundstücksgrenze demnächst die Lufthoheit zu verteidigen sein.
Drohnen könnten außerdem die Technologisierung des Berufs Journalist/in weiter vorantreiben. Vor einigen Jahren hielten die VJs Einzug ins Redaktionsgeschehen, bald also könnten es “DJs“ sein, Drohnenjournalisten als eine Art Datenpiloten. Bald werden vermutlich auch die „GJs“ nicht mehr weit sein, die Reporter mit der vernetzten Google-Brille auf der Nase. Nach meiner Erfahrung führt das nie zu einer Reinkultur. Aber das hergebrachte Berufsbild verflüssigt sich langsam aber sicher durch Digitaltechnik.
Was lehren uns Drohnen für den Journalismus?
Drohnen-Journalismus schaffte es letzten Herbst als nette Berufs-Science-Fiction sogar bis in die Tagesthemen. Jetzt, nach dem großen Erschrecken über PRISM und tempora fühlt sich dieses Thema für mich nochmal anders an. Wie eine Reise zu den Quellen der Datenflut, die die Gesellschaft mittlerweile so gruselt. Ja, die vielen Daten kommen tatsächlich irgendwo her! Und jedes neue Medien-Gimmick bei Saturn Hansa trägt im Prinzip dazu bei.
Vermutlich hat Prof. Waite ja recht, wenn er sagt, die bisherige journalistische Ethik reiche wohl auch für die Berichterstattung von oben. Bestimmte Dinge tut man auch mit Drohne nicht. Auch klar ist allerdings, dass sich viele nicht unbedingt daran halten werden. Das betrifft nicht nur schwarze Schafe des Mediengewerbes, sondern die neuen, schwer fassbaren, laienhaften Teilnehmer am medialen Geschehen.
Eine weiterer Strom globalisierter Indiskretionen könnte sich über uns ergießen. Das hat vor allem damit zu tun, dass über das derzeit viel beschworene Grundrecht auf Privatsphäre im prinzipiell öffentlichen Cyberspace nur schemenhafte Vorstellungen herrschen. Eindeutige Regelungen gibt es nicht. Immerhin aber schon mal Forderungen, wie die akuelle von Kanzlerin Merkel nach einem internationalen Datenschutzabkommen. Die körperliche Unversehrtheit der Drohnen-Gefilmten wird jedoch noch auf einige Zeit wesentlich einfacher zu sichern sein als deren Daten.
Was sind journalistisch die Optionen bei Drohnen?
Wollen sie den Missbrauch im weiten Datenall definitiv verhindern, müssten die Behörden den Drohnen schon den Start verbieten. Das werden sie allerdings nur solange tun, wie Sicherheitsbedenken bestehen. Für den journalistischen Einsatz habe ich eine andere Prognose: Im Digitalen Medienwandel wird immer erst mal gemacht wird, was geht und anschließend geguckt wird, wie es läuft. In diesem Sinne: Volle Drohnung!
Ob das schlimm wird? Wohl nicht viel schlimmer als es ohnehin schon ist. Reflektierter, gelassener Umgang mit neuer Technik wäre immerhin ein guter Anfang. Bei den journalistischen Flugkörpern stehen die Chancen dazu gar nicht mal schlecht. Die allgemeine Sensibilität scheint gewachsen. Ganz im Sinne der alten Zigarettenwerbung mit der beruhigenden Frage an das aufgeregte HB-Männchen: Na, wird denn gleich in die Luft gehen?
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