Skepsis ist der neue Optimismus

Mathias_Doepfner.Axsel Springer Verlag  Sascha_Lobo_in_Berlin

Verängstigter (Quelle: Verlag) und Gekränkter (Quelle: Wikimedia)

Der Trend geht Richtung Enttäuschung. Jedenfalls in bedeutenden Medien-Diskussionen. Nachdem zunächst Sascha Lobo öffentlich und selbstkritisch seine „Digitale Kränkung“ durch die Riesen-Datendiebe zugab, bekommt es jetzt der Chef des Axel Springer-Verlags, Mathias Döpfner, mit der Angst vor dem großen Google zu tun. Doch beide Bekenntnisse sind sehr gut für die Entwicklung des Internets!

Schließlich handelt es sich im einen wie im anderen Fall nicht um irgendwelche Loser, sondern um zwei herausragende Kommunikatoren ihrer Milieus. „Klassensprecher“ der Netzgemeinde bzw. des Verlagswesens in Deutschland. Ihre Debattenbeiträge passen, darin liegt vor allem ihr Reiz, nicht so ganz in das Bild, das man sich von solchen Ober-Checkern bislang gemacht hat.

Zwei  Aspekte beeindrucken mich an den Botschaften von Döpfner und Lobo ganz besonders:

1. Sie beschreiben das bekannt Bedenkliche noch einmal so nachhaltig persönlich, dass es neu wirkt.

Vielleicht liegt das an einer Art glaubwürdiger Widersprüchlichkeit. Offenkundig sind sogar hoch erfolgreiche Internet-Versteher unsicher über den digitalen Drive und seine Richtung. Sie gestehen Ohnmacht ein, sogar Naivität, zollen Gegnern Respekt und sind vor allem besorgt. Einfach erstaunlich ehrlich in einer Informations-Ökonomie, in der jeder eigentlich vor allem seinen Wissens-Vorsprung zeigen muss. Nicht umsonst schleicht sich in die allermeisten Web-Diskussionen deshalb ein besserwisserischer Tonfall ein. Wo der fehlt, tut das gut.

2. Die Reaktionen signalisieren aufrichtige Verwirrung, wenn nicht gar Betroffenheit.

Natürlich trifft das nicht auf alle zu (Woher sollte ich auch wissen, was alle denken).  Mindestens eine Ausnahme muss ich da stets machen: Der „Guru“ des neuen Netz-Journalismus Jeff Jarvis war natürlich einer der ersten und schärfsten in seiner Reaktion auf Döpfner. Mit gut gelaunter Aggressivität aus einer streng wettbewerbsorientierte Grundhaltung kam sein Blitzkonter.

Die Deutschen, altmodisch und schlecht im Verlieren. Schon seinen Landsmann Donald Rumsfeld hatte diese Weigerung, sich optimistisch in Kämpfe zu stürzen, sehr genervt. „Old Europe“ ist den USA in diesem Punkt offenbar besonders fremd, ob es nun um bewaffnete Konflikte oder um Wirtschaftskrieg geht.

Mag ja alles sein. Aber eine kurze Begehung meiner Wahrnehmungs-Filterblase führt mich wenigstens hierzulande zu verblüffend differenzierten Beiträgen. Beispielsweise auf Netzwertig.com, bei Cicero-Online oder im Web-Auftritt des Tagesspiegel. Besondere Erwähnung verdient eine seltsam poetische Annäherung des Blogger-Primus Richard Gutjahr.

In der Kritik an den beiden aufsehenerregenden Bekenntnissen geht es meistens um die Credibility, die persönliche Glaubwürdigkeit. Wollte sich der Lobo nur wieder als Provo profilieren? Heult und heuchelt das Verlags-Raubtier Döpfner nur, weil es andere besser machen? Überhaupt, ein BILD-Verleger und Leistungsschutzrechtsknecht!

Aber auch vielen Optimisten des Internet-Zeitalters scheint letztlich einzuleuchten, dass wir uns Fehlentwicklungen der digitalen Moderne stellen müssen. Dass einiges auf dem Spiel steht beim großen Abenteuer des Medienwandels. Und dass wir dabei gewaltige gesellschaftliche Risiken eingehen, ohne deren Folgen abschätzen zu können.

Wir erinnern uns: Auf der diesjährigen CeBit war es die Kanzlerin, Angela Merkel, die feststellte (bekannte?): Wir stehen beim Thema Datenschutz erst am Anfang. Nur kurze Zeit später, wieder auf einer Messe in Hannover, forderte sie vehement den Aufbau einer hochvernetzten Produktion einer „Industrie 4.0“. Gibt es beim Datenschutz überhaupt schon eine gleichgroße Version oder Vision?

Eine bedenkliche Ungleichzeitigkeit. Aber wir sind weder chancenlos noch alternativlos! Solange eine ernst gemeinte Debatte imgange ist bzw. angestoßen werden kann.

So schmerzlich 2013 mit der kalten Erkenntnis-Dusche eines Edward Snowden für Internet-Freunde war, so produktiv verspricht das Nachdenken über die Folgen für unser aller digitalen Lebensstil zu werden. Wenn wir diese Debatte aushalten, entsteht ein Bewusstsein gute Wege in eine gar nicht so üble Zukunft. Und sei es dadurch, dass wir lernen, langsamer zu gehen.

Nun warte ich fast auf das nächste große Bekenntnis aus der digitalen Medienbranche. Nur Mut!

Kommentare

  1. ich fand die selbstempfundene „Kränkung“ des Sascha Lobo leider eine ziemlich unpassende Referenz für eine dermaßen breit angegangene Grundrechtsverletzung wie die NSA-Überwachung, die Snowden offengelegt hat.

    Es hat der Debatte gutgetan, dass mal jemand auf der Netzseite Selbstkritik gezeigt hat, aber in der Selbstkritik lag wiederum eine Überschätzung der eigenen Relevanz, die das ganze Manöver wieder ein gutes Stück weit relativiert hatte. Was aber noch schwerer wiegt, ist dass Lobo seine Zielvision trotz allem nicht justiert hat. es geht weitehrin um ein „freies“ netz, ein Redebeitrag der in etwa genauso relevant ist, wie „freie Fahrt für freie Bürger“ es in den 70iger Jahren in der Straßenverkehrsdebatte war. Tut keinem weh, bringt aber niemanden voran….

    Wenn das der beste Mann ist, den die Netzseite gerade hat, dann kann man die auch gleich in der Diskussion ignorieren.

    Sh

  2. „Klassensprecher“ umschreibt ja die Rolle von Herrn Lobo möglicherweise auch eleganter als „bester Mann“.

    Jedenfalls fand ich seinen Anstoß sehr verdienstvoll. So sehen Sie es ja offenbar auch. Das Einbringen der „eigenen Relevanz“ halte ich übrigens für einen fast zwingenden Umstand unserer digitalisiert-vernetzten Gegenwarts-Kultur. Sie ist ja fast hemmungslos personifiziert.

    Zum Ziel: „Frei“ darf/soll das Netz ja bleiben. Aber wie machen wir es einigermaßen sicher? Das erfordert Kompromisse, also Einschränkungen, und über die redet man bekanntlich gar nicht gern …

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