Viel Kommunikation, wenig Verständnis

Klischee der Generationen (Les Générations/R. Lanvin/CC BY-SA 4.0)

Harmoniesüchtige werden derzeit schwer auf Entzug gesetzt. Unsere öffentliche Debattenkultur ist grundgereizt. Zum Beispiel gibt es Krach unter den journalistichen Generationen. Überhaupt: Je mehr Kommunikation, umso schlechter das Verständnis.

Jetzt hat Bundesinnenminister Horst Seehofer viel mediale Aufmerksamkeit damit erregt, dass er ankündigt, etwas nicht zu tun. Nämlich die taz-Autorin Hengameh Yaghoobifarah wegen ihrers Beitrages „All cops are berufsunfähig“ bei der Staatsanwaltschaft „anzuzeigen“.

Dieser Streit ist für mich ein weiterer Schlüsselmoment im Medienmeta-Diskurs. Nahezu alles, was auch dieses Blog seit Jahren beobachtet, kommt hier nochmal unters Brennglas. Wird überdeutlich und hitzig. Dies zeigt allein schon die Masse der  erregten Diskussionsbeiträge, die hier nicht wiederholt werden können und sollen. Man und frau kann das zum Beispiel bei der taz selbst oder in dem nicht wertfreien, aber fundiert informierenden Medienblog Altpapier nachlesen.

Aus diesen beiden Quellen stammen auch zwei zentrale Erkenntnisse zum Journalismus, die festgehalten werden müssen:

1. Der offene Definitionsmachtkampf ist gekommen, um zu bleiben:

Ich will wirklich nicht sagen, ich hätte das alles verstanden, aber ich glaube, man liegt auf keinen Fall falsch, wenn man sagt: Hier beginnt gerade eine Debatte, die uns noch lange begleiten wird. (Ralf Heimann im Altpapier)

2. Der Generationskonflikt um die Medien verschärft sich.

Doch tatsächlich verlief der Streit nicht zwischen PoCs – Persons of Color – und Weißen, sondern zwischen intersek­tional Denkenden, meist jungen KollegInnen, für die Identität eine zentrale politische Kategorie ist, und dem Rest der Redaktion.

Es ist eine Generationenfrage, die den Journalismus tief verändern wird. (Christian Jakob / taz.de)

Über diese zwei Thesen wurde hier und wird an vielen anderen Orten unüberblickbar häufig diskutiert. Nur leider heißt das im Grunde recht wenig. Und das ist nun meine Schlussfolgerung zur aktuellen Diskussion um Menschen, die was mit Medien machen:

Die Kommunikation wächst, das Verständnis füreinander sinkt.

Begründung? Substanzielle Subjektivität, nenne ich das mal. Denn was ich seit Jahren u.a. als meine Arbeit bezeichne, ist, den Wandel des journalistischen Berufes wahrzunehmen. Ich halte ein kleines Meßinstrument in den reißenden, riesigen Strom der Metadebatte. Medienfachdienste. Twitter natürlich. „Leitmedien“. Kommunikationswissenschaft. Kollegen/-innenkontakte. Vieles habe ich hier verbloggt. Lang und mit Quellen. (Herzliche Einladung!)

Insofern begründe ich jetzt nicht ausführlich, sondern behaupte : Ob Hotte Seehofer, der blaue Komet Rezo oder die woke Hengameh Yaghoobifarah – sie gleichen einander in ihrer rechthaberischen Dialogverweigerung, genauso wie ihre jeweiligen Gefollowleute. Eine Inflation von Kopfnoten für Persönlichkeitsdefizite und strukturelle Blindheit für Gegenargumente. Medienkompetenzstreitigkeiten.

Sehr häufig kommt die Frage: „Warum darf die oder der das da oder dort überhaupt sagen?“ Sagbarkeit und Sichtbarkeit als Hauptstreitgegenstand – aus sehr unterschiedlichen Gründen haben die öffentlichen Diskutanten weitgehend aufgegeben, einander überzeugen zu wollen. Übertrumpfen soll reichen. Um es nicht „Übertrumpen“ zu nennen.

Das ist natürlich noch nicht das Ende und auch nicht alles. Aber für den Moment recht es vermutlich nicht nur mir.

 

 

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