Die Zeitreifeprüfung

Überreife Zeit (Foto: Julo /Wikimedia)

Am Ende des Jahres stelle auch ich mir die originelle Frage, was man von 2018 halten soll. Wenn ich meine Medienmeta-Beobachtungen auf den Punkt bringen muss, dann pathetisch: Die Zeit ist überreif. Für mediendemokratischen Einsatz, bevor es zu spät ist.

Ich kann jede/n verstehen, die oder der so eine Erkenntnis für banal und bekannt hält. Das ist ja mein Grusel. Wir sehen schließlich alle, was mit dieser Gesellschaft, was mit der „etablierten“ Demokratie los ist, genauer: wie sich beides aufzulösen begonnen hat. Aber dieser Umstand scheint Menschen weniger zu mobilisieren als zu lähmen. Oder sagen wir: Es erstarren die Falschen und es erstarken die Falschen. Derzeit jedenfalls.

Dabei spielen die Medien, spielt Journalismus und Kommunikation nun mal eine Schlüsselrolle. Das Jahr 2018 hat das weiter pointiert. Vom Twitter-Gewitter-Trump global bis zum Hut-Wutbürger lokal liefern unzählige Kanäle Belege. Einmal ziellos in YouTube eintauchen oder eine klassische Radio Call-In-Sendung verfolgen, reicht für eine satte Depression.

Statt diese exemplarisch zu verstärken, kann ich mich kurz fassen und thesenhaft fortfahren:

Update 19.12.2018. Weil das Folgende ja (wieder mal) relativ abstrakt und (ausnahmsweise) recht knapp ist, habe ich zu jeder These einen Kontext-Artikel aus dem großen weltweiten Netz sowie einen selbstrefrenziellen Verweis aufs eigene Schaffen ergänzt.Und das Fazit konzentriert. Denn darum wird es künftig gehen: den richtigen Fokus.

2. Update 20.12.2018. Kaum sind die Bilanzen geschrieben, da implodiert die Timeline bereits angesichts eines Ereignisses, das die Mediengesellschaft stark erschüttern dürfte. Oder anders gesagt: ziemlich viel #Relotius zurzeit. Ein hochpreisgekrönter Autor namens Claas Relotius hat eingeräumt, Publikum und Auftraggeber des Spiegel  mit teileiweise erfundenen „Geschichten“ betrogen zu haben. Die nächste Krisen-Chancen-Situation für die Selbstgewisserung über den Journalismus. Blitzschnell und – teilweise blitzgescheit – die Reaktion des Medienmilieus. Näheres z.B. hier. Meine gleichfalls unoriginelle Prognose: An diesem Fall – mittlerweile schon zur „Causa“ geadelt – werden sich noch viele abbarbeiten, ergebnisoffen. Die Gefahr dabei liegt auf der Hand – das Diskutieren in falschen Alternativen zwischen „Einzelfall“ und „Totalsystemversagen“. Falschen Dichotomien und unproduktiven Polarisierungen ausweichen, das wird 2019 wichtiger als wichtig. Womit wir doch wieder im Themenkreis des folgenden Posts wären.

Also bilanziere ich jetzt endlich:

Die Zeit ist reif …

… zu erkennen: Digitale Vernetzung ist eine totalitäre Technologie mit emanzipatorischem Potenzial. Für die große Selbstermächtigung riskieren wir weitgehende Unterwerfung. Das betrifft Kommunikationsprofis ebenso wie Laien. Kontext. Selbstreferenz.

… zu akzeptieren: Sach- und Systemfragen werden unentwirrbar zusammengemixt. Es herrscht eine gesellschaftliche Grund-Gereiztheit. Sie äußert sich in nahezu unstillbarem Infragestellungsbedarf. Mitten im Zentrum stehen „die“ Medien. Kontext. Selbstreferenz.

… zu warnen: Wer wesentliche Debatten – im Grunde egal, welche – über die Jahre verfolgt, erlebt eine wachsende Wortgewalttätigkeit. An der Grenze zur physischen Bedrohung, wie Reporter/innen erfahren mussten und müssen. Ein Alarmsignal. Kontext. Selbstreferenz.

… zu verhandeln: Und das bedeutet, im eigenen Argumentieren den scheinbar alternativlosen Schwarzweiß-Alternativen zu widerstehen, den falschen Dichotomien. All diesen Ausgrenzungs-Codes, die das Zuhören verhindern, müssen Medienschaffende eine inklusive Form von Öffentlichkeit entgegensetzen. Das bleibt klassische Grundversorgung. Kontext. Selbstreferenz.

… zu handeln: Möglichst konkret, zum Beispiel in der Bildung: Journalismus etwa sollte Schule machen. Und zwar in dem Sinne, dass Schüler/innen Journalismus machen, Journalisten/innen zur Schule gehen und Lehrer/innen zu Medien werden. Kontext. Selbstreferenz.

… zu retardieren: Langsamkeit ist eine produktive Entdeckung. Das Bedenken-Second-wirverpassendenAnschluss-Gelaber erfordert Widerstand. Verzögerung hilft, Wandel zu meistern, menschliches Maß zu finden. Kontext. Selbstreferenz.

… zu unterlassen. Ein Vorsatz zu kommunikativer Konzentration für 2019. Es ist schon fast zu viel gesagt.

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